Das Krisenjahr 2020 hat die Lust der Deutschen am Kaffee nicht gedämpft, im Gegenteil: Trotz geschlossener Cafés und Restaurants haben die Deutschen von März bis April 2020 gut 3% mehr Kaffee getrunken als im Vorjahr. Besonders der Absatz von ganzen Bohnen stieg um sagenhafte 15%. Statt auswärts genießt man das liebste Heißgetränk nun eben zu Hause.
Der Kaffeewirtschaft steht somit gut da. Man könnte hier einen Punkt machen und sich auf ein umsatzstarkes 2021 freuen.
Wer uns kennt, weiß allerdings, dass es damit nicht getan ist. Wir hatten das Vergnügen, uns den Kaffeereport 2020 (Eine Kooperation von Tchibo, brandeins und Statista) einmal näher anzuschauen. Vorweg: Chapeau an alle beteiligten Akteure für diesen umfassenden und tief greifenden Report! Allen Interessierten sei das Lesen dringend ans Herz gelegt.
Der Bereich „Nachhaltigkeit“ sprang uns dabei besonders ins Auge. Werfen wir gemeinsam einen Blick auf ausgewählte Ausschnitte des Reports.
Nachhaltiger – aber wie aber was?
Dass auch Kaffee nachhaltiger werden muss und sollte, ist eindeutig. Doch wo setzen wir an? 22,2% der Befragten geben an, dass „Rohkaffee zu fairen Preisen beziehen“ der wichtigste Hebel für nachhaltigeren Kaffee sei. An zweiter Stelle folgt die stärkere Überwachung von Produktionsketten sowie die Umsetzung von Maßnahmen bei Kaffeefarmern vor Ort. An dritter Stelle rangiert die konsequente Einhaltung der Bestimmungen von Nachhaltigkeitssiegeln, dicht gefolgt von einer stärkeren Aufklärung über Herkunft und Arbeitsbedingungen.
Auffällig ist, dass Konsumenten „Nachhaltigkeit“ bei Kaffee fast ausschließlich auf das Thema Anbau beziehen.
Diese Beobachtung wird durch die Definition nach einem Nachhaltigkeitsverständnis weiter untermauert.
Nachhaltig interessiert, oder?
Ein komplexeres Bild zeichnet der Report beim Abfragen der Interessen für verschiedene Themen.
Dabei rangieren Müllvermeidung und Klimaschutz deutschlandweit vorne. Die Arbeitsbedingungen für Farmer in Anbauländern hingegen teilen sich den 5. Platz mit nachhaltigen Anbauverfahren. Müll schlägt fair – zumindest im direkten Vergleich.
Nachhaltigkeit und Fairness sind den Deutschen wichtig. Zumindest auf dem Papier. Doch wie sieht es in der Realität aus?
Geiz ist geil
Das tatsächliche Trinkverhalten zeichnet ein deutlich ernüchternderes Bild. Der Griff zu konventionellem Kaffee ist eben gelernt. Nachhaltiger Kaffee wird hingegen eher bewusst konsumiert und genossen. Erstaunlich ist zudem der mit 16% hohe Anteil an Personen, die nicht wissen, ob sie nachhaltigen Kaffee trinken. Hier scheint es akuten Nachholbedarf in Sachen Transparenz zu geben.
Warum nachhaltiger Kaffee seltener konsumiert wird, ist eindeutig. Es liegt am Preis. Und am mangelnden Mehrwert. Stichwort Transparenz: Nicht zu wissen, wo es besagten Kaffee zu kaufen gibt, ist ein erstaunlich verbreitetes Problem.
Über alle Bildungs- und Altersklassen hinweg sind Qualität und Preis die beiden ausschlaggebenden Kaufkriterien. Nachhaltigkeitsaspekte (Siegel) rangieren trostlos auf dem vorletzten Platz. Immerhin: Auch beim Kaffee bleiben die Deutschen ihrem Preis-Leistungsbewusstsein treu. Anders gesagt, geiz ist geil. Auch im Jahre 2020.
Abschließende Worte
Das eine denken, das andere machen. Nachhaltigkeit, Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen sind gut und wichtig – bis zur Ladentheke. Beim Einkauf entscheiden letzten Endes Preis und Qualität. Das sogenannte „Intention-Behavior-Gap“ macht auch vor Kaffeetrinkern keinen Halt. Die Deutschen sind und bleiben Schnäppchenjäger.
Casus knacksus ist jedoch unser Verständnis von nachhaltigem Kaffee. Nachhaltig muss mehr werden als Centbeträge für Kaffeebauern. Um wirklich zu helfen, müssen wir weiter als nur bis zur Rohbohne denken und handeln. Wir brauchen ein neues Bewusstsein dafür, was wirklich nachhaltig ist – und was nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Oder um es mit Keynes zu sagen:
„Die Schwierigkeit ist nicht neue Ideen zu finden, sondern den alten zu entkommen…“– John Maynard Keynes.
Vielleicht ist das unsere eigentliche Herausforderung. Loslassen, um Neues zu schaffen. Handeln statt nur zu helfen. Dass das möglich ist, beweist unser Solino Projekt bereits seit einigen Jahren erfolgreich.